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«Nun gibt es auch anderes als Sport»

Der ehemalige Davoser Spitzenlangläufer Marino Capelli hat Ende dieses Winters seinen Rücktritt vom Wettkampfsport gegeben. Im Interview erklärt er seine Beweggründe, und wie ihm seine Spitzensport-Erfahrungen im Alltag helfen.

Pascal
Spalinger
01.05.24 - 07:00 Uhr
Schneesport
Marino Capelli hat seinen Rücktritt gegeben.
Marino Capelli hat seinen Rücktritt gegeben.
zVg/Nico Walther

DZ: Marino Capelli, Sie haben kürzlich Ihren Rücktritt vom Spitzensport gegeben. Warum gerade jetzt?

Im April 2020 verlor ich meinen Kaderstatus bei Swiss-Ski und machte mit dem Tod meines Vaters auch privat eine schwierige Zeit durch. Da hatte ich mir zum ersten Mal überlegt, ob ich zurücktreten solle, denn ohne Kaderstatus wird vieles schwerer, beispielsweise die Sponsorensuche. Schlussendlich habe ich dann aber doch anders entschieden und mich dem Pro-Team des Bünder Skiverbands angeschlossen mit dem Ziel, nochmals in den Weltcup zurückzukehren. Es war aber schwierig, mich für höhere Aufgaben zu empfehlen: Meine Fortschritte wurden aber nicht mit einem Weltcup-Start belohnt, obwohl ich nochmals alles versuchte. Ich entschied mich, mehr für mich selbst zu schauen, und schloss mich dem Ibex-Team des BSV an. Ich wollte zwar mein Potenzial nochmals ausschöpfen, es wurde aber immer schwerer, die nötigen finanziellen Mittel aufzutreiben. Zusätzlich kamen Mitte der vergangenen Saison bei mir die Gedanken auf, dass ich mein Potenzial wohl ausgeschöpft habe. Ich war nicht mehr kompromisslos bereit, den ultimativen Einsatz zu leisten. Dazu kamen leichte gesundheitliche Probleme. Während eines 70-Kilometer-Rennens kamen mir die erwähnten Gedanken, und das war für mich ein Zeichen, dass es wohl Zeit ist für eine Neuorientierung.

Weshalb starteten Sie dann vor allem noch in Langstrecken-Rennen?

Das Ibex-Team bestreitet ausschliesslich Langstrecken-Klassiker der «Skiclassic» (Langdistanzweltcup), und wenn man mal aufgenommen wird, hat man seinen Platz zumindest bis zu Ende Saison und kann solide und ohne Selektionsdruck planen. Im Sprintbereich würde ich mich nicht als den stärksten Athleten beschreiben. Die langen Rennen sagen mir deutlich mehr zu.

Haben Sie keine Angst, ohne Spitzensport in ein Loch zu fallen?

Eigentlich nicht. Gegenwärtig bin ich daran, den Bachelor in Psychologie zu machen. Ich zog bereits letztes Jahr über die Sommermonate nach Winterthur. Dank der langen Rollskitrainings kenne ich mich in der fixen Heimat ab Ende Saison bereits sehr gut aus. Ich bin dort mittlerweile gut eingebunden und bin seit dem letztem Sommer zudem Mitglied in einem kleinen ­Veloclub («Länkerbiisser», Neftenbach). Das Leben hat auch noch anderes als Leistungssport bereit. Ich habe jede Sekunde im Spitzensport genossen und hatte coole Teamkameraden und viel Unterstützung. Nun beginnt für mich ein neues Kapitel.

Wie helfen Ihre Erfahrungen im Spitzensport Ihnen nun im Alltag?

Mein mentales «Mindset» wird mir mit Sicherheit auch im neuen Alltag helfen: Ich habe gelernt, positiv zu denken und mit Niederlagen umzugehen. Dazu kommt mein Durchhaltewillen: Ich habe in meiner Karriere nur einmal ein Rennen aufgegeben. Man muss aber auch Spass an alltäglichen Tätigkeiten haben und alles schätzen, was auf einen zukommt.

Welche sind Ihre schönsten Erinnerungen an die Spitzensport-Karriere?

Da wäre sicher einmal die Erinnerung an die Junioren-WM in Rumänien. Es hatte fast keinen Schnee, und wir hatten jeden Tag ein Rennen. Wir waren dadurch früher mit den Wettkämpfen fertig als geplant und nutzten die Zeit, mit dem Team die Stadt und Umgebung kennenzulernen. Zudem bin ich durch den Spitzensport an Orten in der Welt gewesen, zu denen nicht viele hingehen. Und nicht zuletzt hatten wir immer eine sehr gute Kameradschaft innerhalb des Schweizer Teams. Mit einigen Teammitgliedern habe ich auch private Ferien verbracht.

Inwiefern gab es auch Enttäuschungen?

Ich hatte eine Karriere mit einigen Höhen und Tiefen. Die grösste Enttäuschung war sicher mein Rausfall aus den nationalen Kadern – obwohl zur Qualifikation nicht viel fehlte und ich mich durch den Tod meines Vaters in einer speziellen Situation befand.

Inwiefern werden Sie dem Langlaufsport erhalten bleiben?

Ich würde nach dem Bachelor-Abschluss gerne in der Gesundheitsförderung, respektive an der Schnittstelle Sport/Gesundheit arbeiten. Konkret ist aber noch nichts geplant. Ein Einsatz als Trainer ist nicht vorgesehen, aber ich werde sicher mal privat auf Langlaufskis unterwegs sein. Und wer weiss: Vielleicht geht ja mal irgendwo ein Türchen auf?

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